Die Krise des Artensterbens: Verstehen und Handeln

Der Verlust der Biodiversität ist eine der dringendsten Krisen unserer Zeit. Millionen von Arten sind in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht, was die Ökosysteme und die wesentlichen Dienstleistungen, die sie der Menschheit bieten, gefährdet. Die heutige Rate des Artensterbens ist mindestens 10- bis 100-mal höher als der Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre. Laut der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) sind fast eine Million Arten von den geschätzten acht Millionen bekannten Arten bedroht.

 

Warum Biodiversität wichtig ist

Biodiversität umfasst die Vielfalt des Lebens auf der Erde, einschließlich Pflanzen, Tiere, Pilze und Mikroorganismen. Sie ist die Grundlage der Ökosystemdienstleistungen, die das menschliche Leben sichern, wie Nahrung, sauberes Wasser, Luft und ein stabiles Klima. Ein Verlust der Biodiversität untergräbt diese Dienstleistungen und stellt direkte Bedrohungen für das menschliche Wohlbefinden, die wirtschaftliche Stabilität und die globale Gesundheit dar.

  • Ökosystemdienstleistungen: Gesunde Ökosysteme liefern Sauerstoff, Bestäubung, Nährstoffkreisläufe und Wasserreinigung. Biodiversität trägt auch zur Bodenfruchtbarkeit und Klimaregulation bei.
  • Wirtschaftlicher Wert: Viele Branchen, von der Landwirtschaft bis zur Pharmazie, sind auf Biodiversität angewiesen. Ein Rückgang der Biodiversität gefährdet diese Branchen und die damit verbundenen Lebensgrundlagen.
  • Resilienz gegenüber Veränderungen: Vielfältige Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegenüber Umweltveränderungen und Katastrophen. Biodiversität wirkt als Puffer gegen Klimaextreme und andere Schocks.

Das Artensterben verstehen: Definition und Ursachen

Das Artensterben bezeichnet den irreversiblen Verlust einer Spezies. Während Arten schon immer auf natürliche Weise ausgestorben sind, ist die heutige Rate beispiellos und wird hauptsächlich durch menschliche Aktivitäten verursacht. Hauptursachen sind:

  1. Lebensraumzerstörung: Abholzung, Urbanisierung und Landwirtschaft haben 75 % der terrestrischen Lebensräume und 66 % der marinen Lebensräume verändert.
  2. Klimawandel: Rasche Veränderungen von Temperaturen und Wetterbedingungen stören Ökosysteme schneller, als sich viele Arten anpassen können.
  3. Übernutzung: Nicht nachhaltige Fischerei, Jagd und Ernte haben Arten direkt ausgelöscht.
  4. Verschmutzung: Chemikalien, Plastik und andere Schadstoffe verschlechtern Lebensräume und schädigen die Tierwelt.
  5. Invasive Arten: Vom Menschen eingeführte nicht-einheimische Arten konkurrieren mit, jagen oder verbreiten Krankheiten unter einheimischen Arten.

Auswirkungen des Artensterbens

Die Auswirkungen des Artensterbens sind tiefgreifend und vielschichtig:

  • Kollaps von Ökosystemen: Das Aussterben von Schlüsselarten kann zu Kaskadeneffekten führen, die ganze Ökosysteme destabilisieren. Zum Beispiel beeinträchtigt der Verlust von Bestäubern die Nahrungsmittelerzeugung, während die Zerstörung von Korallenriffen die marine Biodiversität bedroht.
  • Wirtschaftliche Konsequenzen: Eine abnehmende Biodiversität beeinträchtigt Branchen, die auf natürliche Ressourcen angewiesen sind, erhöht Kosten und reduziert die Produktivität.
  • Globale Gesundheitsrisiken: Der Verlust der Biodiversität erhöht die Wahrscheinlichkeit zoonotischer Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden, da Ökosysteme gestört werden und Arten enger zusammenrücken.

Messung des Artensterbens: Der Living Planet Index

Der Living Planet Index (LPI), entwickelt vom WWF, verfolgt die Veränderungen der globalen Biodiversität durch die Überwachung von Wirbeltierpopulationen. Wichtige Erkenntnisse des LPI 2024:

  • Ein Rückgang der überwachten Populationen um 73 % seit 1970, wobei Süßwasserarten mit einem Rückgang von 85 % den größten Verlust verzeichnen.
  • Regionale Unterschiede zeigen schwere Verluste in Lateinamerika, Afrika und Asien-Pazifik.
  • Auch marine und terrestrische Arten haben signifikant abgenommen, obwohl in Schutzgebieten einige Erholungen beobachtet wurden.

Lösungen zum Schutz der Biodiversität

Trotz der ernsten Lage gibt es umsetzbare Lösungen, um das Artensterben zu stoppen und Ökosysteme wiederherzustellen:

 

1. Ausweitung geschützter Gebiete

Der Schutz von 30 % der terrestrischen und marinen Lebensräume bis 2030 ist ein globales Ziel. Gut verwaltete Schutzgebiete können das Artensterben verlangsamen und wichtige Ökosysteme bewahren.

 

2. Wiederherstellung von Lebensräumen

Maßnahmen wie Aufforstung, Renaturierung von Feuchtgebieten und Mangrovenwäldern stärken die Biodiversität, bekämpfen den Klimawandel und unterstützen lokale Gemeinschaften.

 

3. Nachhaltige Ressourcennutzung

Die Reduktion der Übernutzung natürlicher Ressourcen durch nachhaltige Fischerei-, Landwirtschafts- und Forstpraktiken ist entscheidend. Dazu gehören:

  • Eliminierung von Entwaldung in Lieferketten.
  • Förderung ökologischer Anbaumethoden.
  • Verringerung von Lebensmittelverschwendung, da 30-40 % der weltweit produzierten Lebensmittel verschwendet werden.

4. Bekämpfung des Klimawandels

Die Eindämmung des Klimawandels durch den Umstieg auf erneuerbare Energien, Verbesserung der Energieeffizienz und Reduktion von Treibhausgasemissionen kommt sowohl der Biodiversität als auch der globalen Stabilität zugute.

 

5. Stärkung indigener Gemeinschaften

Indigene Territorien beherbergen oft die reichste Biodiversität. Die Anerkennung und Unterstützung indigener Rechte und nachhaltiger Praktiken kann den Naturschutz erheblich verbessern.

 

6. Förderung naturbasierter Lösungen

Naturbasierte Lösungen wie Aufforstung und Wiederherstellung von Feuchtgebieten bieten kostengünstige Ansätze zur Bewältigung ökologischer Herausforderungen. Der Schutz von Mangroven beispielsweise schützt Küstengebiete vor Stürmen und fördert die marine Biodiversität.

 

Individuelle Beiträge zum Schutz der Biodiversität

Jeder kann durch kleine, aber bedeutsame Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität beitragen:

  • Nachhaltige Produkte wählen und Abfälle reduzieren.
  • Ökostrom nutzen und umweltfreundliche Energieoptionen unterstützen.
  • Sich für politische Entscheidungen einsetzen, die den Schutz der Biodiversität priorisieren.
  • An lokalen Naturschutzinitiativen teilnehmen.

Ein Blick nach vorne: Ziele für 2030

Die Erreichung globaler Biodiversitätsziele bis 2030 ist von entscheidender Bedeutung. Diese Ziele stehen im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und umfassen:

  • Stoppen von Entwaldung und Lebensraumverlust.
  • Sicherstellen einer nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen.
  • Erhöhung der Finanzmittel für den Schutz der Biodiversität.

Fazit

Biodiversität ist die Grundlage des Lebens auf der Erde, sie unterstützt das Überleben der Menschheit, ökonomische Systeme und die Gesundheit unseres Planeten. Die Dringlichkeit zu handeln war noch nie so groß. Durch die Kombination globaler, regionaler und lokaler Anstrengungen mit individuellen Maßnahmen können wir das komplexe Netzwerk des Lebens bewahren, das uns alle trägt.

Quellen:

  • Greenpeace
  • WWF Living Planet Report 2024